Recht praktisch

Auslese 04/2009: Baumschnitt

Wildwuchs beim Nachbarn – Ist der Griff zur Säge erlaubt?

Über die Grundstücksgrenze wachsende Wurzeln dürfen aus dem Boden entfernt, überhängende Äste dürfen abgeschnitten werden. Hiebei steht das Überleben der Pflanzen jedoch im Vordergrund. Für die fachgerechte Entfernung sollte im Zweifel ein Fachmann beigezogen werden. Die Kosten hiefür hat der beeinträchtigte Grundeigentümer selbst zu tragen. Geht vom Überhang eine Gefahr aus oder droht ein Schaden, sind die notwendigen Kosten vom Nachbarn zur Hälfte zu ersetzen.

Beim Entfernen der Äste und Wurzeln darf fremder Grund nicht betreten werden und das Schnittgut ist selbst zu entsorgen.

Führt der Baumbestand des Nachbarn zu einer ortsunüblichen Beschattung des eigenen Grundstücks, kann das „Recht auf Licht“ notfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden, wobei vorab verpflichtend ein außergerichtlicher Schlichtungsversuch stattfinden muss.

Welche Pflichten treffen einen Grundbesitzer und Eigentümer von Grünpflanzen?

Die Rechte des Nachbarn enden dort, wo die des Anderen beginnen. Aus diesem Leitsatz lässt sich der Maßstab der wechselseitigen Rücksichtnahme ableiten, der nicht nur die Frage des zulässigen und vom Nachbarn zu tolerierenden Wildwuchses von Pflanzen betrifft.

Grundeigentümer unterliegen der Verpflichtung Bepflanzungen auf ihrem Grundstück, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, entsprechend zu pflegen, auszudünnen und allfällig zu entfernen.

Die Verpflichtung als Grundeigentümer den Wildwuchs seiner Pflanzen im Rahmen zu halten erstreckt sich nicht nur auf Nachbars Garten, sondern insbesondere auch auf alle Verkehrsflächen wie Gehwege, Straßen etc.

Spätestens sobald ein Fußgänger ausladenden Ästen auf die Fahrbahn ausweichen muss, besteht dringend Handlungsbedarf. An der Grundstücksgrenze zu Gehwegen gepflanzte Hecken sind saisonal zu schneiden.

Die freie Sicht auf den Verkehr, Verkehrszeichen und sonstige Einrichtungen des Straßenverkehrs wie Verkehrsspiegel, Ampeln etc., aber auch Straßenlaternen muss ebenfalls gewährleistet sein.

Kann der Nachbar verpflichtet werden, seine überhängenden Äste und eindringende Wurzeln zu entfernen?

Trotz des seit 2004 neu geregelten Nachbarrechts kann der Eigentümer von Pflanzen gerichtlich nicht angehalten werden, seine überhängenden Äste und eindringenden Wurzel zu entfernen.

Es steht dem beeinträchtigten Nachbar jedoch das Recht zu, den Überhang zu stutzen.

Worauf muss bei der Entfernung von Pflanzen oder Pflanzenteilen geachtet werden?

Die Entfernung überhängender Pflanzenteile und eindringender Wurzeln ist vom beeinträchtigen Nachbarn nur unter entsprechender Schonung der Pflanzen möglich. Der Erhalt der Pflanzen steht im Vordergrund. So ist der Baumschnitt saisonal verträglich vorzunehmen, sodass die Pflanze in ihrer Entwicklung keinen Schaden nimmt.

Wird durch die Entfernung von Ästen und Wurzeln die Standsicherheit eines Baumes beeinträchtigt, muss die Maßnahme gänzlich unterbleiben. Der Einsatz rostiger Nägel, chemischer Keulen oder natürlicher Schädlinge ist daher jedenfalls unzulässig und führt zu Schadenersatzansprüchen des Eigentümers der Pflanze, kann aber auch verwaltungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Bei der Beschneidung von Pflanzen sind auch die speziellen bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften über den Schutz von Bäumen und anderen Pflanzen zu beachten. Ein Zuwiderhandeln ist mit zum Teil empfindlichen Strafen verbunden.

Die Beiziehung eines Fachmannes ist in Zweifelsfällen dringend anzuraten; dieser haftet für von ihm verursachten Umweltschäden als sachverständige Person.

Das Betreten des Nachbargrundstücks ist im Falle der Beseitigung überhängender Pflanzenteile nicht gestattet. Sofern der Baumschnitt nur unter Betreten der eigenen Liegenschaft nicht möglich ist, ist er zu unterlassen. Andernfalls droht eine Besitzstörungs- oder Unterlassungsklage, im schlimmsten Fall auch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.

Wer trägt die Kosten für die Entfernung?

Die Kosten sind vom beeinträchtigten Liegenschaftseigentümer zu tragen. Droht durch die Äste, Wurzel oder dem sonstigen Überhang jedoch eine Gefahr, ist ein Schaden bereits entstanden oder ist unmittelbar damit zu rechnen, muss die Hälfte der Kosten durch den Eigentümer der Pflanze übernommen werden, da dieser seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.

Sofern die Pflanzen bereits eine Schaden verursacht haben, steht dem beeinträchtigen Nachbarn unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadenersatz zu, wenn die Schäden dem Eigentümer der Pflanze vorwerfbar sind oder schuldhaft verursacht wurden. War etwa erkennbar, dass Äste eines Baum durchzumorschen drohen, und zerstören bei einem Sturm den Gartenzaun, das Gerätehäuschen oder andere Pflanzen, kann der beeinträchtige Nachbar Schadenersatz begehen.

Grünpfleger der Gemeinde sind daher berechtigt, hier den notwenigen Baumschnitt vorzunehmen; die Gemeinde wäre berechtigt, einen Teil der so entstehenden Kosten dem Eigentümer zu überwälzen.

Besteht ein Recht auf Aussicht?

Die Bäume am Nachbargrundstück verstellen die – bislang vorhandene – Aussicht. Trotzdem ist eine gerichtliche Durchsetzung auf Entfernung des Baumes und Wiederherstellung des aussichtsreichen Urzustands nicht einklagbar.

Auch nach Einführung des neuen Nachbarschaftsrechtes 2004 kann sich ein Nachbar gegen solche Pflanzungen, die nicht über die Grundstücksgrenze ragen, trotzdem die Aussicht behindern, nicht erfolgreich zur Wehr setzen.

Es obliegt der ausschließlichen Entscheidung eines Grundeigentümers, ob und wenn ja, wo, welche und wie es seiner Bäume und Pflanzen setzt und wachsen lässt.

Bereits beim Ankauf der eigenen Liegenschaft am Nachbargrundstück bestandene Bäume können ebenfalls nicht erfolgreich bekämpft werden. Hier gilt der Grundsatz: „Augen auf, Kauf ist Kauf“; auch Setzlinge werden größer, eine Einsicht, die man einem verständigen Käufer unterstellt. Der Ausweg liegt hier in zivilrechtlichen Vereinbarungen.

Das Recht auf Licht und Durchlüftung?

Ein Grundeigentümer kann seinem Nachbarn die von dessen Pflanzen ausgehende Beschattung des eigenen Grundstücks und damit den Entzug von Licht oder die Verhinderung der Durchlüftung des Grundstücks untersagen, sofern diese Einwirkungen das ortsübliche Maß überschreiten und die Nutzung der Liegenschaft unzumutbar beeinträchtigt wird.

Das "Recht auf Licht" besteht jedoch nicht unbeschränkt; auch hier ist auf bundes- und landesgesetzliche Schranken zum Schutz von Pflanzen Bedacht zu nehmen – Baum– und Naturschutz bricht in diesem Fall Nachbarrecht.

Geltend gemacht kann das Recht von jedem werden, der an der beeinträchtigten Liegenschaft ein Recht behaupten kann; die Anspruchsberechtigten sind Eigentümer, Mieter, Pächter, Servitutsberechtigte etc.

Das Recht erstreckt sich auch auf Balkone, Terrassen und Eigengärten in Wohnhausanlagen. Auch dort dürfen die Balkonpflanzen keine unzumutbare Beeinträchtigung darstellen.

Der Schattenwurf überschreitet dort das übliche Ausmaß, wo eine Belichtung von Räumen nur mehr mit Kunstlicht möglich ist, andere Vegetation zu Grunde geht, die Nutzung der Liegenschaft erheblich modifiziert werden müsste, um den ehemaligen Status quo herzustellen oder Solaranlagen nicht mehr genutzt werden können.

Gegenden in denen Bäume und damit auch die Beschattung des fremden Grundes üblich ist, etwa in Villen- und Cottagevierteln oder Alleen, ist das Recht auf Licht naturgemäß anders zu bewerten.

Die Beurteilung erfolgt einzelfallbezogen und auf Maßstab des Empfindens eines Durchschnittsmenschen in einer vergleichbaren Lage.

Wie setze ich das Recht auf Licht durch?

Vor der gerichtlichen Durchsetzung sieht das Gesetz einen verpflichtenden Streitbeilegungsversuch der Nachbarn vor.

Vor der Einbringung einer Klage auf Unterlassung gegen den Eigentümer der Bäume hat der Nachbar, der die Klagsführung erwägt, hiervor zur gütlichen Einigung entweder
• einen Vergleichsversuch bei Gericht,
• eine Schlichtungsstelle der Notariats- oder Rechtsanwaltskammer oder einer sonstigen Körperschaft öffentlichen Rechts (z.B. einem Gemeindevermittlungsamt) zu befassen,
• die Streitsache einem Mediator zu unterbreiten,
wobei im letzteren Fall das Einverständnis des Konfliktgegners wesentlich ist.

Scheitert der Streitbehebungsversuch oder erscheint der Gegner nicht, kann das Recht im Klagswege vor dem Bezirksgericht geltend gemacht werden.

Stand 3/2009