Auslese 5/2011

Schenken = Erben? – Der Schenkungspflichtteil

Wenn man vor hat, etwas zu verschenken, darf man das Erbrecht nicht außer Acht lassen.

Die Übertragung von Vermögen im Schenkungswege erfolgt aus ganz unterschiedlichen Motiven und ist aus erbrechtlicher Sicht immer dort unproblematisch, wo es ohnehin nur einen Erben gibt.

Sobald jedoch mehrere Erben Anspruch auf das Vermögen des Geschenkgebers haben, kann eine Schenkung zu Lebzeiten in einem Erbstreit enden. Die Hintergründe liegen im österreichíschen Erbrecht.

Auszug aus dem österreichischen Erbrecht

Die gesetzliche Erbfolge

Verstirbt man, ohne eine gezielte Anordnung hinterlassen zu haben wer das Vermögen erben soll (Testament, Legat), tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Das heißt, dass

  • der überlebende Ehepartner 1/3, und
  • die Nachkommen die restlichen 2/3 zu gleichen Teilen erben.

Ist der Ehepartner bereits verstorben, erben die Nachkommen das gesamte Vermögen zu gleichen Teilen.

Verstirbt man ohne Nachkommen, entfällt auf

  • der Ehepartner 2/3 des Vermögens,
  • den Rest erhalten die Eltern des Verstorbenen bzw dessen Geschwister.

Erbfolge aufgrund eines Testaments - Pflichtteilsanspruch

In einem Testament kann letztlich jeder selbst regeln, wer nach dem Ableben das Vermögen, das zum Todeszeitpunkt verhanden ist, erhalten soll. Hat man zu Lebzeiten ein Testament errichtet und darin festgelegt, dass Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben nicht erben sollen, haben diese nichts desto trotz Anspruch auf die Hälfte jenes Prozentsatzes, der Ihnen aufgrund der gesetzlichen Erbfolge am Vermögen zustünde.

Nicht jeder gesetzliche Erbe ist aber auch pflichtteilsberechtigt.

Unter den Kreis der Pflichtteilsberechtigten fallen

  • der Ehepartner,
  • Kinder und deren Nachkommen und

für den Fall, dass man ohne Nachkommen verstirbt, 

  •  die Eltern.

Geschwister des Verstorbenen zählen nicht mehr zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten.

Als Pflichtteilsberechtigter hat man jedoch nicht den Anspruch auf die Gegenstände aus der Verlassenschaft selbst, sondern lediglich Anspruch auf einen entsprechenden Wertersatz in Geld. Ein Pflichtteilsberechtigter kann daher nicht die Eigentümereigenschaft an der Liegenschaft fordern, sondern lediglich einen Anteil vom Verkehrswert der Liegenschaft in der Höhe seiner Pflichtteilsquote.

Der Schenkungspflichtteilsanspruch übergegangener Erben

Werden Liegenschaft oder sonstige Vermögenswerte zu Lebzeiten im Schenkungswege übertragen, ist somit speziell bei der Übertragung von Eigentum innerhalb der gesetzlichen Erben (somit im Familienkreis) bedacht auf das Erbrecht zu nehmen.

Beispiel:

Witwe mit 2 Töchtern und 1 Sohn besitzt ein Haus, das Haus wird dem Sohn 10 Jahre vor ihrem Tod geschenkt. Der Sohn baut das Haus um und investiert € 50.000,--.

Durch die Schenkung der Mutter an den Sohn, wird der Anteil der beiden Töchter am Vermögen der Mutter hiedurch benachteiligt beeinträchtigt. Wäre die Schenkung nicht erfolgt, wäre die Liegenschaft im Zeitpunkt des Ablebens der Mutter noch in ihrem Eigentum gewesen und hätten alle 3 Kinder jeweils Anspruch auf 1/3 Eigentums-Anteile an der Liegenschaft.

Nachdem die Liegenschaft jedoch bereits zu Lebzeiten verschenkt wurde, gehen die Töchter in der Verlassenschaft diesbezüglich leer aus.

Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, kennt die österreichische Rechtsordnung den sogenannten Schenkungspflichtteil. Die Schenkung wird letztlich so gehandhabt, als wäre die Liegenschaft mittels Testament übertragen worden und haben daher die übergangenen Töchter Anspruch auf die Hälfte dessen, was ihnen in der Verlassenschaft zugestanden wäre.

Die beiden Töchter können daher von ihrem Bruder jeweils 1/6 des Werts der Liegenschaft in Geld verlangen.

Die Investitionen, die der Sohn nach der Schenkung ins Haus vorgenommen hat, sind bei der Ermittlung des Verkehrswertes im Todeszeitpunkt der Mutter nicht zu berücksichtigen, sondern wird die Annahme getroffen, dass das Haus in dem Zustand, in dem es verschenkt wurde, unter Berücksichtigung einer allfälligen Wertsteigerung, aber auch einer Verschlechterung der Substanz, im Vermögen der Mutter vorhanden gewesen ist. Hievon errechnet sich der Schenkungspflichtteilsanspruch der Töchter.

Unter Pflichtteilsberechtigten, somit Eheleuten, Kindern und deren Nachkommen und allenfalls Eltern, ist die Geltendmachung des Schenkungspflichtteiles unbeschränkt möglich. Wurde das Haus jedoch von der Mutter etwa an Ihre beste Freundin verschenkt, und liegt diese Schenkung im Todeszeitpunkt länger als 2 Jahre zurück, können die übergangenen Kinder gegenüber der Freundin der Mutter keine Ansprüche mehr geltend machen.

Möglichkeiten der Abwendung eines Erbstreits trotz Schenkung

Ist eine Übertragung des Vermögens zu Lebzeiten mittels Schenkung gewünscht, und werden hierdurch künftige Erbansprüche beeinträchtigt, bestehen ua folgende Möglichkeiten:

Abfindung zu Lebzeiten

Mit der Abgeltung der Schenkungspflichtteils-Ansprüche gemeinsam mit der Schenkung werden die Vermögenszuwendungen wechselseitig ausgeglichen. Die Höhe der Abgeltung unterliegt letztlich der Vereinbarung der Parteien. Die Abgeltung kann durch den Geschenkgeber oder den Beschenkten erfolgen.

Diese ausgleichenden Vermögenszuwendungen sollten nicht "unter der Hand" erfolgen, sondern sollte hierüber eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden, da andernfalls diese Vermögenszuwendung im Verlassenschaftsverfahren nicht als Abgeltung des Pflichtteilsanspruches gewertet wird und nichts desto trotz Schenkungspflichtteilsansprüche angemeldet werden können.

Erb-/Pflichtteilsverzicht

Die übergangenen Erben können aber auch, wenn sie mit der Vermögensübertragung einverstanden sind, einen Pflichtteilsverzicht auf den Schenkungsgegenstandes abgeben, mit dem sie erklären, auf sämtliche erbrechtlichen Ansprüche am Schenkungsgegenstandes zu verzichten. Mit einer solchen Erklärung wird verhindert, dass im Verlassenschaftsverfahren noch Ansprüche aufgrund der Schenkung gestellt werden können.

Die Erklärung bedarf für ihre Gültigkeit einer bestimmten Form und kann nur vor einem Rechtsanwalt oder Notar erfolgen.

Testamentserrichtung

Sind außer dem Schenkungsgegenstandes noch andere Vermögenswerte vorhanden, die dem Wert der Liegenschaft gleichkommen, kann mittels Testament geregelt werden, dass jene Erben, die im Zuge der Schenkung leer ausgegangen sind, diese Vermögenswerte, unter Ausschluss des bereits zu Lebzeiten Beschenkten, erben sollen.

In diesem Fall muss jedoch gemeinsam mit dem Schenkungsvertrag der Beschenkte für die übrigen Vermögenswerte des Geschenkgebers seinerseits einen Pflichtteilsverzicht erklären, da sonst andernfalls die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüche in der Verlassenschaft auch für den Beschenkten möglich wäre, was wiederum ein Ungleichgewicht schaffen würde.

Fazit

Setzt man sich also mit dem Gedanken auseinander, etwa zur Abwehr von Regressansprüchen der Sozialhilfeträger im Falle von Leistungen aufgrund von Pflegebedürftigkeit, seine Liegenschaft bereits zu Lebzeiten an eines seiner Kinder oder den Ehegatten zu verschenken, sollte man sich nicht nur über die Schenkung selbst rechtlich beraten lassen, sondern insbesondere auch über die allfälligen erbrechtlichen Konsequenzen.